"Wird´s besser? Wird´s schlimmer? fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich“.
Erich Kästner
2022 - was für ein Jahr! Krieg in der Ukraine, Rekordinflation – verbunden mit Zinserhöhungen, Klimawandel, Pandemie – und Chinas Umgang damit, die unterbrochenen Lieferketten und manches mehr. Lauter Ereignisse, die auch Auswirkungen auf die Börsen hatten und haben. Während das Jahr 2021 für alle maßgeblichen Anlageklassen Rekorde gebracht hatte, folgte 2022 dann der heftige Absturz. 2022 wird ohne Frage in die Geschichtsbücher eingehen. Es gab zwar so etwas wie eine späte Herbstrallye mit ziemlich guten Zahlen im Oktober und im November. Doch die reichen nicht, um das Börsenjahr am Ende doch noch in einem guten Licht dastehen zu lassen. Nicht nur die Aktien haben Federn lassen müssen. Insbesondere die Technologiewerte, die in der „heißen Corona Phase“ besonders nach oben geschnellt waren, sind jetzt wieder auf einen „normalen Boden“ zurückgekommen. Den Anleihen (andere Bezeichnungen sind Bonds, Renten oder festverzinsliche Wertpapiere), ging es genauso. Das haben auch Mischfonds, in denen Aktien und Anleihen enthalten sind, mehr oder weniger deutlich zu spüren bekommen. Insbesondere der Zusammenbruch am Anleihemarkt war bis dato beispiellos. Derartige Kursverluste, noch dazu in so kurzer Zeit? Das hatte es zuvor in dieser Form noch nicht gegeben!
Warum es den Anleihen in den Fonds auch nicht so gut ging, obwohl doch die Zinsen gestiegen sind? Nun, es ist - stark vereinfacht - so: Anleihen lassen sich zu tagesaktuellen Kursen am Markt kaufen und verkaufen. Wenn neuere Zinspapiere vom gleichen Herausgeber mit ähnlichen Laufzeiten zu deutlich höheren Renditen auf dem Markt landen, dann wird der Verkäufer seine ältere, niedriger verzinste Ware natürlich nur noch mit Abschlägen los. Kurzfristig können steigende Zinsen den Wert eines Anleihen-Fonds also beeinträchtigten. Steigende Zinsen, so wie es aktuell passiert, können wiederum - auf längere Sicht gesehen - die Rendite erhöhen. Das liegt daran, dass Geld aus fällig werdenden Anleihen in neue Anleihen mit höheren Renditen reinvestiert werden kann. Unabhängig davon: Bei Anleihen-Fonds kommt es auch immer darauf an, wie geschickt die Hand der jeweiligen Fondsmanagerin bei der Auswahl der Papiere ist: Es gibt Kurz- und Langläufer, Unternehmens- oder Staatsanleihen. Dazu Papiere mit unterschiedlichen Bonitäten und in verschiedenen Währungen. Und noch manches mehr, was zu bedenken ist.
Wie das Jahr 2023 wird?
Siehe dazu das Zitat von Erich Kästner am Anfang dieses Artikels. Und in die Glaskugel kann auch niemand sehen. Es gibt natürlich unterschiedliche Szenarien von Wirtschaftsinstituten. Doch letztendlich hilft es wohl am besten sich eine Strategie zurechtzulegen. So wie man einen Törn mit dem Segelschiff plant: Wo stehe ich jetzt? Wo will ich wann sein? Auf welchen Wegen und mit welchem Mitteln komme ich dort hin? Was habe ich schon alles an Bord (analog an Versicherungen, Investments, Verträgen zur Absicherung)? Wie kann mich am besten vor eventuell auftretenden Gefahren schützen? Wie flexibel bin ich bei der notwendigen Korrektur meines ursprünglichen Kurses?
Inflation
Vermutlich wird die Inflation im nächsten Jahr oder in den nächsten Jahren nicht bei zehn Prozent bleiben. Wohl auch nicht bei sieben oder acht, wahrscheinlich aber bei deutlich mehr als zwei Prozent.
Zinsen
Um der Inflation entgegen zu wirken, haben die Notenbanken wie die US-Notenbank Federal Reserve (FED) und die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins erhöht. Was über viele Jahre bei den historisch niedrigen Zinsen kein Thema war, erfolgt jetzt Schlag auf Schlag: Nach einer ersten Erhöhung im Sommer bei der EZB ging es gleich in mehreren Schritten aufwärts. Jetzt liegt der Leitzins dort seit vergangener Woche bei 2,5 Prozent. Sparerinnen freut das. Endlich gibt es wieder Zinsen auf dem Tages- oder Festgeldkonto! Und mehr Ertrag beim Zeichnen von Anleihen oder in Misch- oder Rentenfonds. Doch es darf einfach nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zinsen nicht ausreichen, um die Inflation auszugleichen. Bei einer Inflation von beispielsweise acht Prozent, hat man unterm Strich immer noch ein dickes Minus von 5,5 Prozent zu verzeichnen! Außerdem freut sich gerade niemand, der vor hat ein Wohnhaus zu bauen oder eine neue Halle für seine Maschinen.
Aktien
Kanzler Olaf Scholz hat in diesem Jahr den Begriff „Zeitenwende“ geprägt. Das betrifft auch den Bereich Aktien. Es wird wohl in den kommenden Jahren weniger darum gehen, an und mit den Börsen reich zu werden. Sondern eher darum das vorhandene und das aufzubauende Vermögen vor der Inflation zu schützen in dem man die Kaufkraft weitestgehend erhält. Das wird nicht ohne Sachwerte, also Aktien von guten Unternehmen und Immobilien, funktionieren. Krisen bieten ja durchaus auch Chancen. Dazu gehören Trendthemen wie der Klimawandel, Digitalisierung, der Wandel in der Demographie oder auch das Wachstum in den Schwellenländern von denen Anlegerinnen und Anleger profitieren können.
Immobilien
Für Menschen mit einem Durchschnittsgehalt wird es schwierig angesichts der gestiegenen Zinsen und den hohen Preisen für Baustoffe ein Haus zu bauen. Oder eine Finanzierung für eine Immobilie als Kapitalanlage zu bekommen. Zumindest die Preisexplosionen der vergangenen Jahre bei Immobilien werden wohl erst einmal nicht in diesem Maße weitergehen. Doch unabhängig davon kommt es unter anderem auch immer auf die Region, die Lage innerhalb der Region oder auch den Zustand einer Immobilie an. Bei größeren Vermögen kann die Investition in eine Immobilie ein guter Baustein zur Verteilung des Vermögens auf mehrere Anlageklassen sein.
Zeitenwende. Und nun? Was tun?
- Sich besinnen auf das, was man hat und kann! Dazu können gehören: Gesundheit, Familie/Freunde, Bildung, Geld, Flexibilität, das Leben in einer Demokratie, fließendes Wasser, Kreativität oder Resilienz.
- Die neue Realität, das „neue Normal“ annehmen. Nicht in den Rückspiegel, sondern nach vorne schauen!
- Die Erkenntnis und Annahme, dass es keine absolute Sicherheit gibt. Staaten, Banken und Firmen können pleitegehen. Man kann seine wichtigsten Kunden oder seine Festanstellung verlieren. Oder die Partnerin / der Partner trennt sich plötzlich von einem. Oder es kann zu weiteren Kriegen in Europa kommen. Oder …
- Überlegen, was einem im schlimmsten Fall passieren könnte. Und wie man dann damit umgeht.
- Aktiv werden, statt gelähmt wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen. Eine Strategie - schriftlich - festlegen: Was sind meine Ziele? Bis wann will ich wo sein? Was habe ich bereits? Wie und auf welchen Wegen komme ich dahin? Und dann: Einen guten Boden bereiten, auf dem sich alles weitere gut aufbauen lässt. Dazu gehört die Absicherung der wichtigsten existenziell bedrohlichen Risiken wie eine Versicherung gegen Berufsunfähigkeit und eine Haftpflichtversicherung. Ein Girokonto, auf dem immer so viel Geld liegen sollte, dass es für die monatlichen Ausgaben reicht. Was übrig bleibt, landet auf einem Tagesgeldkonto, auf dem es mittlerweile wieder Zinsen um die 1,6 Prozent gibt. Hier sollte man drei bis sechs Monatsgehälter liegen haben, falls man mal seinen Job verliert oder es dem eigenen Unternehmen finanziell nicht so gut geht. Dazu Rücklagen für den großen runden Geburtstag, die Solaranlage auf dem Dach oder ein Segelboot. Immer noch Geld übrig? Dann könnten sie es - langfristig betrachtet - in Aktien, Fonds oder ETF anlegen. Und/oder damit eine Immobilie zum Wohnen für sich selbst und/oder als Kapitalanlage finanzieren.
- Eingebrochene Kurse an den Börsen als Gelegenheit zum günstigen Einkauf nutzen.
- Was Sie noch tun können? So gut wie möglich in die eigene Gesundheit und in Bildung investieren, dazu in die Beziehung innerhalb der Familie und zu Freunden. Überlegen, was Sie noch alles stärkt und Ihnen guttut: Bücher, Musik, Bewegung, Natur, ein Hund oder …? Bei der Anlage in Aktien, Fonds/ETF die Ruhe bewahren, wenn das Schiff mal wieder besonders stark schaukelt. Und darauf vertrauen, dass nach einem Sturm auch die Sonne wieder scheinen wird.